logo
Ein Junge mit Namen Li-tei-feng beobachtete bei einem großen Sturm voller Entsetzen, wie die dicksten Bäume entwurzelt und die stärksten Äste geknickt wurden. Nur ein kleines Bäumchen trotze dem Sturm auf seine Weise: Es bog seinen Wipfel bescheiden bis hinunter zur Erde. Als der Sturm sich legte, richtete es sich wieder auf und stand unbeschädigt da, wie zuvor.
-- Chinesische Legende

Login Form

Was tue ich hier eigentlich“, ging es mir durch den Sinn, als ich die Schlüsselstelle

des Alten Talwegs in der Falkenwand im Klettergebiet Bielatal erreichte. Direkt vor mir lag der schmale Riss, den ich zunächst erst einmal passieren musste, um letztendlich den Gipfel der Falkenwand zu erreichen. Helfen konnte mir dabei niemand. An diesem Punkt des Weges war ich ganz auf mich allein gestellt. Den Druck der viel zu engen Kletterschuhe spürte ich nicht mehr. Wie all die anderen Nebensächlichkeiten, die mich vielleicht abzulenken vermochten, wurde auch dieser widrige Umstand fast wie selbstverständlich in den Hintergrund gedrängt.

Seitdem ich in den Weg eingestiegen war, funktionierte ich wie automatisch. Ein kurzer Blick nach unten – zum nächsten Tritt. Schon während mein Fuß ihn fand, musterte ich die Wand über mir – auf der Suche nach dem nächsten Griff. Wenn ich ihn nicht sehen konnte, musste ich danach tasten. Hatte ich dann eine geeignete Stelle mit genügend Halt für meine Hand gefunden, streckte ich das Bein und schob mich so nach oben. Danach begann eben dieser Kreislauf neu. Dabei versuchte ich mich immer möglichst nah am Fels zu halten. An der Wand zählte nur das Jetzt – die Konzentration auf das Naheliegende. Nicht der beruhigende Gedanke an das bereits Geschaffte – der unentwegt darauf zu lauern schien, mich in Sicherheit zu wiegen und zu Fehlern zu verleiten. Und auch nicht der Gedanke an die Herausforderungen, die der Weg zum Gipfel noch für mich bereithalten würde – um mir damit womöglich soviel Angst zu machen, dass ich noch vor dem Ziel klein beigeben würde.

Doch zurück zum schmalen Riss – vor dem ich mich ja immer noch befand. Nach vorn und nach unten öffnete er sich leicht, sodass ich mir im Riss recht wenig Halt versprach. Knapp über die Hälfte des Weges – die Falkenwand hinauf – hatte ich bereits geschafft. Fünfzehn Höhenmeter, schätzte ich, waren es bis zu jenem Punkt gewesen. Nach unten sehen mochte ich lieber nicht. Hatte ich doch noch kurz zuvor am Fuß der Falkenwand mit Christian, Lars und Ralf gescherzt: „Bloß nicht nach unten schauen“. Auch wenn ich halbwegs sicher auf einem schmalen Band neben dem Riss zu stehen vermochte, verbrauchte die andauernde erfolglose Suche nach geeigneten Griffen einen guten Teil meiner Armkraft. Festhalten musste ich mich ja irgendwie. Schon als ich Jörg, der den Alten Talweg vor mir kletterte, von unten dabei zugeschaut hatte, wie er den Riss auf der rechten Seite – scheinbar ohne große Mühen – umging, bekam ich feuchte Hände. Nun, da ich das selbst versuchte, schien es mir ungleich schwerer. Mit jedem Schritt, mit dem ich mich auf dem schmalen Band nach rechts schob, schienen die Griffe für die Hände kleiner und unscheinbarer zu werden – was mir abermals Kraft raubte. Kurzerhand rettete ich mich zurück nach links zum Riss. Noch immer war ich kein Stück voran gekommen. Das einzig Beruhigende war der Gedanke an Ulli, der mich von oben sicherte. Ulli hatte die 60 bereits erreicht. Trotzdem war er richtig fit am Berg. Dafür bewunderte ich ihn. Falk, unser Judo-Trainer, hatte Ulli und Frank als Vorsteiger für unser Kletter-Wochenende gewinnen können. Wie auch Falk gehören beide der Klettervereinigung Bergfreunde Cottbus e. V. an. Ulli war als erster in unserer Seilschaft hinauf gestiegen und hatte gleich neben dem Gipfel einen sicheren Standplatz aufgebaut. Nachdem ich im Seil eingebunden war, hatte er es gleichmäßig – nach jedem meiner Schritte – soweit eingeholt, dass es von mir aus nicht zu lose nach oben führte. Während ich noch immer am Riss nach einem geeigneten Fixpunkt suchte, um von dort aus weiter nach oben zu gelangen, wartete er geduldig darauf, das Seil wieder ein Stück weit einzuholen. So wagte ich also einen Versuch, presste die linke Hand in die Wand – ebenso den rechten Fuß, den ich zuvor ein wenig angehoben hatte. Tritt war keiner da. Irgendwie musste ich der Reibung vertrauen – zwischen der Wand und meinem Kletterschuh. Langsam begann ich mich nach oben zu drücken, um nach Zentimetern, die mir in jenem Moment wie ein Vielfaches davon vorkamen, mit der rechten Hand einen besseren Griff zu ertasten. Einen Griff, an dem ich mich nach oben hätte ziehen können – so weit, dass ich vielleicht mit einem meiner Füße auf einem halbwegs sicheren Tritt zu stehen kommen würde. Doch vergebens. Der Schub nach oben reichte nicht. Die rechte Hand fand nicht den Halt der nötig gewesen wäre. So rutschte ich zurück nach unten auf das Band rechts neben dem Riss. Zum Glück konnte ich mich noch am Felsen halten. Trotzdem wurde mir eines blitzschnell klar: So schaffe ich das nicht.“ Für eine Verschnaufpause schob ich mich mit meiner linken Körperseite in den Riss. Das war eine angenehme Stellung, in der ich die Arme kurz entspannen konnte. Dabei fielen mir auf einmal Ollis Worte ein, mit denen er mir noch am Boden Mut zugesprochen hatte: „Wenn du an den Riss kommst – versuch Dich einfach seitlich hineinzupressen. So kommst du dort weiter.“ Und genau das tat ich kurz darauf. Arbeitete mich auf diese Weise so weit nach oben, bis ich sicheren Halt über mir fand. Von da an war der Rest ein Kinderspiel. Mit den selben gleichmäßigen Bewegungen, mit denen ich den Weg begonnen hatte, vollendetet ich ihn. Nur zu gut kann ich mich noch an Ullis strahlenden Blick erinnern, mit dem er mich – als ich oben angekommen war – in Empfang nahm.

___________

 

Während des Kletter-Wochenendes übernachteten wir in der Vereinshütte der Klettervereinigung Bergfreunde Cottbus e. V. in Leupoldishain. Unsere Anreise erfolgte Freitag Nachmittag, Die Hütte selbst war praktisch aber dennoch liebevoll eingerichtet. Im Aufenthaltsraum, einem Raum im ersten Obergeschoss, der von drei großen Holztischen dominiert wurde, prangten zahlreiche Fotos an den Wänden. Unter ihnen auch Schwarzweißfotos, die an vergangene Zeiten erinnerten. An der Tür zu einem der Nachbarräume hatte jemand einen Spruch von Johann Heinrich Pestalozzi verewigt: „Ihr müßt die Menschen lieben, wenn ihr sie ändern wollt.“ Nach unserer Ankunft in der Hütte konnten wir es einfach nicht erwarten und so brachen wir gemeinsam mit Falk, Matthias, Christian, Jörg und Lars noch vor dem Abendessen zu unserer ersten kurzen Klettertour auf, zum Frosch – einem Felsen in den Nikelsdorfer Wänden – der in nur wenigen Minuten zu Fuß von der Hütte aus zu erreichen war. Bis zu unserer Rückkehr, so hofften wir, würden dann auch die restlichen Kletter-Interessierten eingetroffen sein. Während des dreitägigen Aufenthalts in der Hütte kochten und putzten wir gemeinsam für uns selbst. Egal, ob es darum ging das Essen zu bereiten, den Tisch zu decken oder abzuwaschen, jeder packte mit an – tat das, was er am besten konnte. Selbst die 13-jährige Jolie bereitete uns am ersten Abend unter anderem einen leckeren Zwiebel-Dip. Nach dem Abendessen saßen wir an den beiden ersten Tagen vor der Hütte noch bis in die Nacht am Lagerfeuer ...

Typisch für die Übernachtung in einer Hütte schliefen wir fast alle in einem Raum. Auf dem ausgebauten Dachboden waren Matratzen auf Lattenrosten ausgelegt, auf denen wir es uns in unseren Schlafsäcken gemütlich machten.

Die Tage begannen früh – schon vor sieben Uhr waren die ersten von uns auf den Beinen, holten die Lebensmittel aus der Vorratskammer, deckten den Frühstückstisch, kochten Kaffee und Eier und backten die Brötchen auf.

Geklettert wurde in vier Seilschaften, die sich spontan nach den Fähigkeiten der einzelnen Teilnehmer zusammen fanden. Jeder kletterte das, was er sich zutraute. An den drei zur Verfügung stehenden Tagen wurden folgende Wege geklettert:

 

Fels, Weg

Seilschaften

 

Falk im Vorstieg

Ulli im Vorstieg

Frank im Vorstieg

Jörg im Vorstieg

Freitag, 10.07.2015 (Nikelsdorfer Wände)

Frosch, Klapperstorch (VI)

x

 

 

 

Samstag, 11.07.2015 (Türme über dem Nymphenbad)

Kiebitz, Nordostvariante (III)

 

x

 

 

Nymphe, Alter Weg (III)

x

x

 

 

Falkenwand, Alter Talweg (IV)

x

x

 

 

Falkenwand, Westkante (VI)

 

 

x

 

Hinterer Dürrebielewächter, Südkante (IV)

 

 

x

 

Spannagelturm, Alter Weg (IV)

 

x

 

 

Sonntag, 12.07.2015 (Nikelsdorfer Wände)

Frosch, Opas Idee (V)

 

x

 

 

Frosch, Ostriss (II)

 

 

 

x

Frosch, Südostkante (III)

 

 

 

Toprope

Kubus, Schartenweg (VIIa)

 

 

x

 

Kubus, Grüne Kante (VIIa, VIIb)

 

 

x

 

Kubus, Nervenbalsam (VIIb)

 

 

x

 

 

Ein Kletter-Profi bin ich keinesfalls. Jedoch hatte ich es schon bei meinem ersten Fels-Kontakt beim Kletter-Wochenende vor drei Jahren gespürt: Klettern bin wohl nicht zum letzten Mal.“ Und ein Kletter-Profi muss auch keiner sein, um zum mittlerweile jährlich stattfindenden Kletter-Wochenende der Abteilung Judo des HSV Cottbus in die Sächsische Schweiz mitzukommen. Interesse reicht allemal.

 

M. Döring

 

Sponsoren


Powered by Joomla!.
Design & Umsetzung von themza.com und Martin Müller, © 2017.
Hosting bereitgestellt von Martin Müller.